Unfall

Heute haben wir alle etwas verloren.
Wir, die sogenannten Unbeteiligten,
Die zufällig Anwesenden,
Den Gang des Gewohnten,
Das alltägliche Funktionieren,
Die Verlässlichkeit der Banalitäten,
Das bloße Vergehen im Existieren;
Ein wenig Geborgenheit vielleicht,
Ein wenig Gesundheit,
Zeit, Geduld und manche auch Nerven.

Andere, die nicht anwesend waren,
Haben in diesem Moment ihren Enkel,
Ihren Bruder, ihren Sohn verloren.

Von den Beteiligten:
Einer seine Unschuld,
Einer sein Leben.
Es war ihm nicht lange gegeben.

Wir, die wir können,
Werden versuchen, etwas zurück zu gewinnen:
Eine Fassung, eine Gewohnheit, eine Ablenkung;
Irgendetwas, das die Betäubung betäubt,
Eine Versicherung, dass das Banale bleibt.
Auch heute muss ja gegessen werden,
Auch heute gibt es Krimi und Talk auf allen Programmen,
Auch heute werden wir die Fragen zerstreuen.

Nein, wir werden es nicht geschehen lassen,
Dass Berührung uns wirklich berührt,
Dass Verstörung uns wirklich verstört,
Das Betroffenheit uns wirklich erschüttert.

Den Halt werden wir nicht verlieren,
Und auch nicht den Boden.
Wir werden nicht in uns gehen,
Wir werden die Frage nicht groß werden lassen;
Wir werden dieses und unser Leben
Nicht so lange erforschen,
Bis wir endlich eine Antwort haben.

Heute haben wir alle etwas verloren.
Uns wollte es reicher machen.

(Henning Sabo)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.