Blätterlese

Sind sie braun oder rot?
Sind sie gelb oder gold?
Sind sie kräftig oder lind?

Die Blätter, in Sonne und Wind,
Am Baum, im Fallen, auf der Erde Grund,
So vielfältig und bunt …

Und ich, so tief verwurzelt,
Wie nur Flüchtige es sind,
Ein schwereloses Kind!

(Henning Sabo)

Drachen steigen

Ein kleiner Junge, ganz allein mit seinem Drachen;
Da ist nicht Wind noch eine freie Bahn.
Er will es jetzt und hier geschehen machen,
Scheint es auch töricht und verrückt, ein Wahn.

Er wird sich bis zum Abend darin proben
Und tapfer tragen allen Spott und Hohn;
Sein Kopf bleibt traurig-trotzig stets erhoben,
Mut und Verzweiflung sind sein ganzer Lohn.

Lässt er wohl jemals wieder Drachen steigen?
Was wird der Mensch ihm sein, was die Natur?
Ich schenke ihm ein Lächeln und ein Schweigen,
Und ich erleuchte seiner Seele zarte Spur.

(Henning Sabo)

Einbeute

Heute gesammelt:

Eindrücke, bleibende,
Einsichten, flüchtige,
Erinnerungen, kommende;

Äpfel – vom Baum,
Hagebutten – vom Busch,
Und Nüsse – vom Boden;

Seins-Berechtigungen,
Lebens-Erfahrungen,
Selbst-Erkenntnisse;

Blätter, bunt vom Wind getrieben,
Steine, die auf meinem Wege lagen,
Und, ganz ohne Grund, ein paar Kastanien;

Mut – ihn zusammenzunehmen,
Vorstellungen – sie hinter mir zu lassen,
Enttäuschungen – meinen Reichtum zu begreifen;

Am Schluss auch mich noch aufgelesen,
Manch Traurig- und Glückseligkeiten,
Und, von irgendwo: Ein Lächeln.

(Henning Sabo)

Ashkhabad – »Aisha« (Turkmenistan)

Der Link zum Sonntag:

Aus einem Land, über das ich kaum mehr weiß, als dass es schon seit langer Zeit das Schicksal von inzwischen leider immer mehr Staaten teilt, nämlich sehr totalitär und restriktiv regiert zu werden, eine inzwischen auch weltweit bekannte Band unter der Leitung von Atabay Tsharykuliev, die traditionelle Spielweisen und vorhandene Melodien mit fremden Instrumenten und modernen Arrangements verbindet und sich schlicht nach der Hauptstadt dieses Landes (Turkmenistan) benannt hat: Ashkhabad. Von ihrer 1993 auf Real World erschienen CD »City of Love« hier der Titel »Aisha«.

Ashkhabad – »Aisha«

Letzte Sonne

Kurz bevor sie untergeht
Erscheint noch einmal die Sonne;
Und der, der längst nicht mehr mit ihr gerechnet hat,
Genießt sie jetzt mit Wonne.

Es wird ihn schmerzen, wenn sie gänzlich geht,
Die Wärme schwindet in der Ferne;
Und bleibt die Nacht ihm nur an Tages statt,
Sucht seine Netzhaut ab die Sterne.

(Henning Sabo)