Aufgehoben

Des Bemerkens wert:

Heute, auf dem Weg zum Zahnarzt, nachdem ich mich in der Straßenbahn auf einen Sitz gesetzt hatte, entdeckte ich vor mir auf dem Boden eine Kunststoff-Münze; eine von jenen, um sich damit – statt mit einem 1-Euro-Stück – in den Supermärkten einen Einkaufswagen »auszuleihen«. Obwohl ich einen solchen Wagen selten brauche und auch bereits einige dieser Münzen besitze, hob ich sie dennoch auf und steckte sie in meine Jackentasche.

Beim Zahnarzt konnte ich mich sofort auf den Behandlungsstuhl setzen, war aber auch schon nach wenigen Minuten wieder entlassen, denn außer ein wenig Zahnstein entfernen und Mund ausspülen war bei mir sonst nichts vorzunehmen. Als ich wieder zur Haltestelle ging, entschied ich mich ganz spontan, nicht wie geplant in die Stadt zu fahren und noch Weiteres zu erledigen, sondern erst einmal wieder nach Hause zurückzukehren.

Wieder in der Straßenbahn, hörte ich neben mir plötzlich ein Klimpern auf dem Boden. Es war ein 1-Euro-Stück und der älteren Frau mir gegenüber wohl mit aus der Jackentasche gefallen, als sie das Stofftaschentuch daraus hervorgezogen hatte, mit dem sie sich jetzt gerade die Nase putzte. Sie selbst schien davon nichts bemerkt zu haben und so hob ich die Münze auf, reicht sie ihr und sagte: »Die haben Sie verloren«. Sie bedankte sich etwas umständlich und erklärte, wie zur Entschuldigung: »Die brauche ich für den Einkaufswagen«.

Das erinnerte mich wieder an die Kunststoff-Münze; ich holte sie aus meiner Jackentasche, überreichte sie ihr und sagte: »Hier, nehmen Sie die, dann brauchen Sie dafür kein Geld einzustecken«. Sie war sehr überrascht, bestaunte sie und verglich sie mit ihrem Euro; sie wusste wohl nichts von solchen Ersatz-Münzen und schien tatsächlich zum ersten Mal eine solche zu sehen. Und erst, als ich ihr versicherte, dass ich noch mehrere solcher Münzen habe, war sie bereit, sie anzunehmen und sie ebenfalls einzustecken.

Ich hätte gerne noch geschrieben, dass wir uns freundlich und mit einem Lächeln voneinander verabschiedeten, aber als sie – eine Station vor der meinen – aufstand und ging, sagte sie kein Wort und sah mich auch nicht an.

Siri Nilsen – Alle snakker sant

Der Link zum Sonntag:

Als eine der starken Frauen-Stimmen habe ich hier am 3. November die Norwegerin Sidsel Endresen und ihren musikalischen Partner Bugge Wesseltoft in einem tollen Konzertmitschnitt vorgestellt. Es mag wohl an der reichen und intensiv gepflegten Folklore-Tradition liegen, dass es in Skandinavien eine ganze Reihe exzellenter Frauen-Stimmen gibt. Vor allem in Norwegen sind sie nicht nur in der Folklore, sondern auch im Jazz und in der anspruchsvollen Pop-Musik sehr präsent – wobei die Übergänge zwischen den Genres eher fließend sind. Heute möchte ich eine weitere norwegische Sängerin vorstellen, die noch junge, 1985 geborene Siri Nilsen mit ihrer zweiten CD »Alle snakker sant« (»Alle sagen die Wahrheit«), mit der ihr wirklich eine kleine Perle gelungen ist. Hier das ganze, mit kaum 35 Minuten leider sehr kurze Album:
Siri Nilsen – »Alle snakker sant« (komplettes Album)

Mir gefallen besonders die »ungeraden« Songs, nämlich 1. Brev, 3. Ta meg med, 5. Hodet, hjertet eller magen, 7. Enkle ting, und 9. Jeg vet.

Die einzige Live-Aufnahme, die ich von meinem momentanen Favoriten, dem wunderbaren »Jeg vet« (»Ich weiß«) entdeckt habe:
Siri Nilsen – »Jeg vet«

Der Text in der englischen Übersetzung:
i know, i know, i know, i know that it happens like this
i know, i know, i know, i know that i shouldn’t think about it any more
but i want to hear someone say that this too shall pass
and i have seen it all before, i know how it will end
it will end as it does when there is fear of the unknown
but i want to hear someone say that this too shall pass
i know, i know, i know, i know that one day
if we still remember, it will only be vaguely
but i want to hear someone say that this too shall pass

Vom auch sehr schönen ersten Song des Albums, »Brev« (»Brief«) gibt es eine sehr feine Version mit Streichorchester:
Siri Nilsen – »Brev« (live)

Die Übersetzung ins Englische:
are you ok now? are you in a beautiful place, safe from danger?
i’m all grown up now, but am still writing letters to someone who doesn’t answer
i would have asked you what you thought about when you were young
whether you fought against the same things that i do now
so many things you don’t know, unanswered letters
and these streets are covered with all of your old footsteps
i follow them as well as i can
but i don’t remember where you walked
and i don’t have time for heartbreak, you have to take it away from me
because I have two hearts beating in me now
there is so much i would like to tell you
so many things you don’t know, unanswered letters

Zum Abschluss noch ein Duo von »Ta meg med« (»Nimm mich mit dir«):
Siri Nilsen – »Ta meg med«

Auch hier der Text in Englisch:
go until you don’t remember where you came from
search until you don’t remember what you want
you have to do what you have to do
but take me with you, take me with you
and tell me, tell me,
that everything will be all right
and i look at you as i did the very first time
and i know that it might be the last
you look ahead, you do what you have to do
but take me with you, take me with you
and tell me, tell me,
that everything will be all right

Alle Lied-Texte in Norwegisch und Englisch findest Du auf der Internet-Seite von Siri Nilsen

Ich hoffe, auch diese Stimme war/ist dir zur Freude.

Von sich erlöst

Wie heiter heißt alles
Mich heute willkommen
Und wie sehr ist ein jedes
Jetzt von sich erlöst

Selbst auf den Dächern
Die falschen Krähen, sie lächeln
Und alles ist Stille
Und singt dieses Lied

(Henning Sabo)

Natürlich sind »die falschen Krähen« hier keine Anmaßung eines Urteils über den Charakter der Krähen – die ich übrigens sehr schätze –, sondern meint diese wahrscheinlich aus irgendeinem Kunststoff gefertigten »Abstandhalter«, um die anderen Vögel abzuschrecken.