Das, was Du bist

Das, was Du suchst, das findest Du nicht
Auf den Straßen und Märkten
Nicht an den Pisten und Stränden
Nicht in den Kirchen und nicht in den Klöstern

Das, was Du suchst, das findest Du nicht
An Meeresgründen noch auf Bergesgipfeln
Nicht in den vielgelesenen, nicht in geheimen Schriften
Nicht in Vergangenheiten und nicht in höheren Welten

Das, was Du suchst, das findest Du nicht
An anderen Orten oder in anderen Menschen
Nicht in deinem Fühlen, nicht in deinem Denken
Im Handeln nicht und nicht einmal im Herzen

Das, was Du suchst, das findest Du nicht
Denn das, was Du suchst, ist das, was es sucht
Das, was Du suchst, das findest Du nicht
Denn das, was Du suchst, ist das, was Du bist

(Henning Sabo)

Ein-zig

Was immer ist gekommen
Ist gegangen

Ist nichts geblieben –
Einzig das, das wahr

Es stiehlt, es schenkt
Doch ohne zuzufügen, ohne wegzunehmen
Es gibt, es nimmt
Doch ohne zuzunehmen, ohne abzugeben

Wie alles scheint und jedes schwindet
Und nur ich bleibe –
Ganz allein

Als dieses Nichts, als all dies alles
So haltlos:
Leere einzig, einzig Raum

(Henning Sabo)

Interessant, dass ich fast genau heute vor einem Jahr einen Text hier eingestellt habe, den ich dann ganz ähnlich »Ein Zig« betitelt habe.

Johann Sebastian Bach – »Trio Sonate für zwei Querflöten und Continuo in G (BWV 1039)«

Der Link zum Sonntag:

Heute etwas weiter zurück in der Zeit, und doch zu einer Musik, die immer noch irgendwie aktuell und präsent und zeitlos ist. Ein Stück, das ich sehr mag, besonders die beiden Adagio-Teile I und III.

Außerdem die klangliche Nähe der beiden Flöten, die sich so zuweilen sehr nahe an der Dissonanz bewegen und wohl ein äußerst exaktes Spiel der beiden Solisten erfordern, damit das Ganze nicht auseinander fällt und nervig statt dynamisch, einander widersprechend statt einander umspielend klingt.

Und so hat mich von den Live-Aufnahmen, die ich im Netz gefunden habe, letztlich nur diese hier überzeugt:

Johann Sebastian Bach – »Trio Sonate für zwei Querflöten und Continuo in G (BWV 1039)«

Ist Liebe Darmkrebsvorsorge?

Des Bemerkens wert:

An einigen Haltestellen hängt zur Zeit ein Plakat, auf dem ein nicht mehr ganz junges Paar abgebildet ist und darüber der Spruch: »Wer seinen Partner liebt, schickt ihn zur Darmkrebsvorsorge«. Zweck und Ziel, Sinn und Botschaft dieser Kampagne scheinen klar, aber ist ihre Aussage auch wahr?

Wenn ich meinen Partner liebe – was meiner Partnerschaft doch wohl in jedem Fall zugrunde liegen sollte –, was kann ich dann tun, was sollte ich tun, um seinen Darm gesund und frei von Krankheit oder Krebs zu halten? Und wann sollte ich das tun oder getan haben?

Erst einmal, und auch das sollte grundlegend für eine Partnerschaft sein, dürfen wir einander in unsere Verantwortung nehmen, in unsere jeweils eigene wie in unsere gemeinsame. In die Verantwortung für unser Leben, für unsere bloße physische Existenz, unsere psychische Konstitution und deren Entwicklung, für die Ausgestaltung unseres täglichen Daseins, für das, womit wir uns umgeben, was wir uns zuführen und wofür wir unsere Zeit und unsere Energie aufwenden. All das können wir im weitesten Sinne als unsere »Ernährung« ansehen, die wir nicht nur über unseren Mund und unsere klassischen Verdauungsorgane zu uns nehmen, sondern ebenso über unsere Haut, über Nase und Lunge, über all unsere Sinne und im Grunde über unseren gesamten Organismus, ebenso über Empfindungen, über Gefühle und Gedanken, über Nerven und Gehirn. Und dass Zustand und Gesundheit von Magen, Bauchspeicheldrüse und Darm nicht allein von dem abhängen, was wir ihnen physisch durch Kauen, Herunterschlucken und Verdauen zumuten, das dürfte uns wohl allen bekannt sein.

Verantwortung heißt, mich erfahren machen und dementsprechend handeln. Mir Wissen aneignen, durch Erkenntnis und über Erfahrung, mir dieses Wissen zueigen machen, indem ich es annehme und anerkenne, und selbst dieses Wissen sein, dadurch, dass ich es gewissenhaft einübe und ausübe. Das heißt wach sein, wach bleiben, beobachten und registrieren und jede Information, jedes angebliche Wissen unter Einsatz meines eigenen Lebens überprüfen und zu einem gelebten Bestandteil meiner selbst machen. In Bezug auf meinen Darm bedeutet es, auszutesten und zu beobachten, was ihm gut tut und was nicht, was ihm »zuträglich« oder »abträglich« ist, was ihn erleichtert oder beschwert, ihm entgegen kommt oder ihm entgegen wirkt, was ihn begleitet und unterstützt, was ihn behindert und beschränkt. Und dann aus all dem auch tatsächlich meine Konsequenzen zu ziehen, ihm also in der Regel das zuzuführen, was ihm förderlich und dienlich ist, und ihm das vorzuenthalten, was seiner Funktion und Gesunderhaltung schadet und entgegenwirkt.

Als Partner und im Zusammensein mit einem Partner wird meine Verantwortung noch auf ganz andere Weise gefordert. Zum einen darf ich meine Eigen-Verantwortung nicht einem Partner zuliebe aufgeben, einschränken oder verleugnen. Zum anderen muss ich ihm seine Eigen-Verantwortung ebenso zugestehen, sie achten und respektieren wie meine eigene, also die meine selbstbewusst vertreten wie ihm die seine selbstverständlich belassen – was sich in der Praxis immer wieder als große Aufgabe und Herausforderung erweist. Wir haben sowohl die Tendenz, unsere Eigen-Verantwortung einer Partnerschaft zugunsten zu übergehen und aufzugeben, wie die Tendenz, unsere Verantwortlichkeiten an uns selbst auf einen Partner zu übertragen und von ihm einzufordern. Ganz in meiner Eigen-Verantwortung zu bleiben, sie nicht meinem Partner aufzubürden, in die seine weder einzugreifen noch sie ihm abzunehmen; gleichzeitig herauszufinden, worin unsere gemeinsame Verantwortung besteht und wie wir sie zusammen einlösen und ausleben können – eine An-Forderung, der alle Partnerschaften unterliegen und die so viele nicht überstehen.

Verantwortung geht aber noch weiter und tiefer, Verantwortung ist immer auch die für die Wahrheit, also für das, was tatsächlich ist und für das, was ich wirklich bin. Das kann in Bezug auf Gesundheit nicht das sein, was wir gesellschaftlich in stillschweigender Übereinkunft leben und kolportieren, und ebenso wenig das, was uns als Grundlage unserer Gesundheitspolitik und unseres Gesundheitswesens gilt. Wir haben uns nicht nur angewöhnt, Sterben und Tod als etwas zu behaupten, das etwas anderes als Leben und Sein ist, wir haben es sogar geschafft, Sterben und Tod als ein von Leben und Sein Getrenntes, Unabhängiges und Eigenes zu definieren, und schließlich sogar den Tod als ein dem Leben Entgegen-Gestelltes zu etablieren. Ein latent präsentes und täglich praktiziertes Allgemeingut, das nicht infrage gestellt, sondern einfach so als gegeben hingenommen und immer wieder neu reproduziert wird. Dabei bedürfte es nur eines einzigen Augenblicks unvoreingenommenen Hinschauens, um ein für alle Mal zu klären, dass all das nichts als abstruse Vorstellungen und unhaltbare Behauptungen sind.

Leben und Sterben sind absolut identisch, sie sind ganz genau dasselbe. Da ist nicht der geringste Unterschied, und da ist keinerlei Möglichkeit, das eine vom scheinbar anderen zu trennen, selbst der definitive Tod lässt sich nicht vom Leben abspalten und zu etwas Eigenem und dem Leben Entgegen-Gesetzten machen. Diese Sterblichkeit alles Lebendigen als Gesetz des Lebens zu erkennen und für mich selbst anzuerkennen, das ist eine meiner wesentlichen Verantwortungen. Die sich in einer Partnerschaft dahingehend erweitert, sich gegenseitig immer wieder mit dieser Sterblichkeit zu konfrontieren und sich an sie zu erinnern, daran, dass die (gemeinsame) Zeit als Erscheinungsform Mensch begrenzt ist, daran, wie einmalig kostbar also jeder Augenblick ist, den wir hier – gemeinsam und im lebendigen Austausch miteinander – sein dürfen. Darin können wir uns fordern und fördern, uns einander zumuten und uns ermutigen, und in dieser Akzeptanz der Sterblichkeit unserer Erscheinungsformen vielleicht noch tiefer entdecken und erfahren, wer und was wir wirklich – unabhängig von Zeit und Raum – sind.

Dieses vehemente Negieren der Sterblichkeit, dieses permanente Sich-Verweigern der ursprünglichen Vollkommenheit und der ganzen Fülle des (und alles) Lebendigen gegenüber hat sich in all den scheinbaren Selbstverständlichkeiten, den nicht hinterfragten Antworten und den automatisch vorangestellten Ansprüchen unseres Gesundheitssystems noch tiefer ein- und ausgeprägt. Hier wird Sterben gar als ein Gegenentwurf des Lebens betrachtet und der Tod zu einem Feind des Daseins erklärt. Unser Gesundheitssystem dient nicht in erster Linie dem Leben und seiner (Gesund-)Erhaltung, es dient einzig der Verhinderung des Sterbens, des Herausschiebens oder Herauszögerns des (Zeitpunktes des) Todes. Leben wird mit allen Mitteln verlängert, aber »Leben« wird nicht mehr definiert und mit Sinn erfüllt, es bleibt auf seine bloße Existenz reduziert und das biologische Existieren wird als Wert vor allen Werten bedient. Unsere Medizin »erhält am Leben«, während sich um den Erhalt dessen, was Leben ist und was Leben ausmacht, nicht mehr gekümmert wird und ihm niemand mehr wirklich Bedeutung schenkt. Und die Mehrheit der Menschen scheint sich damit abzufinden, sie begnügt sich schon zu Lebezeiten mit einem Existieren, dessen Sinn sich darin erschöpft, immer weiter fortzubestehen und das Gewohnte und Behauptete weiterhin aufrecht zu erhalten und immer wieder neu aufzustellen. Dieses Existieren dann mit allen medizinischen Mitteln gegen die Aufhebung durch den Tod zu verteidigen, scheint dann nur noch die letzte und logische Konsequenz.

Verantwortung heißt also beides, sie zu übernehmen, aber auch, ihre Grenzen zu akzeptieren. Ebenso wenig, wie »Krebs bekommen« einzig und allein ein übermächtiges und unabwendbares Schicksal ist, dem ich nicht vorbeugen kann und dem ich machtlos ausgeliefert bin, ebenso wenig ist »Krebs bekommen« etwas, was einzig von meinen Bemühungen oder Nicht-Bemühungen abhängt und allein in meiner Verantwortung liegt. »Krebs bekommen« ist kein persönliches oder gesellschaftliches Versagen, ist kein Indikator für ein falsches oder ein schlechtes Leben, es ist einfach nur eine der vielen Möglichkeiten, derer sich das Sein bedienen kann, um ein Wesen, das es in die Erscheinung gebracht hat, wieder aus dem Erscheinen fortzunehmen. Der Mut, die eigenen Möglichkeiten wahrzunehmen, das eigene Leben zu führen und das eigene Wort auszusprechen, beinhaltet auch die Demut, anzunehmen und anzuerkennen, dass es das Sein ist, das mich führt, das mir meine Möglichkeiten schenkt wie sie beschränkt, und dass es dieses Sein ist, das das letzte Wort über mich hat.

Ein verantwortungsvolles, gewissenhaftes und (sich selbst) bewusstes Leben zu führen, wird nicht notwendigerweise damit belohnt, dass es ein langes, von Unbill, Krankheit und von Leiden freies Leben ist. Ein verantwortungsvolles, gewissenhaftes und (sich selbst) bewusstes Leben belohnt sich selbst genau in diesem Augenblick, den es als einmalig und kostbar wahrnimmt und sich einfach darin lebt, so wie es ihm gerade jetzt möglich ist. In voller Bewusstheit wie in kindlicher Naivität, unendlich frei und allem ausgesetzt, unverletzlich und doch so verletzlich, unsterblich und doch jederzeit sterblich. Ich weiß, dass ich Antwort bin, doch ich höre nicht damit auf, sie immer wieder infrage zu stellen.

Habe ich all dieses Ver-Antworten wahrgenommen? Habe ich all mein Fragen wahrgenommen und es ihm angetragen? Habe ich selbst mich ihm übergeben, um es selbst übernehmen zu können? Habe ich es mit dir geteilt? Haben wir uns gemeinsam ihm gestellt und uns mit ihm aufeinander zu bewegt? Haben wir miteinander geklärt, welche Verantwortung wir miteinander haben und welche nicht? Und wenn nicht, was bedeutet es dann, wenn ich dich zur Darmkrebsvorsorge schicke oder Du mich? Was ist es dann anderes als ein (weiterer) Akt der Unvorantwortung uns und unserem Leben gegenüber?

Nein, ich möchte nicht, dass Du mich irgendwann einmal zu einer Darmspiegelung schicken musst. Ich möchte anders gespiegelt sein, und ich möchte, dass Du mich spiegelst. Hier, jetzt, in genau diesem Augenblick. Mit deinen offenen Augen, mit deinem weiten Herzen. In Ganzheit und Vollkommenheit. Weil ich es bin. Weil Du es bist. Und weil es Lieben ist.

(Henning Sabo)