Wie von Hand gemacht

Des Bemerkens wert:

Zur Zeit wirbt ein Speiseeis-Hersteller auf großflächigen Plakaten mit dem Slogan: »Jetzt wie von Hand gemacht«.

Was sagt mir das? Nun, das »jetzt« deutet an, dass es »bis jetzt« offenbar nicht wie von Hand gemacht war. Was mich nicht wirklich wundert, handelt es sich doch schließlich um ein Industrie-Produkt. Woran sich ja auch – jetzt – nichts geändert hat, und auch das steht da, denn »wie von Hand gemacht« besagt ja nichts anderes, als dass es garantiert nicht von Hand gemacht ist.

Der Hersteller behauptet nur, dass es ihm jetzt gelungen ist, die Illusion – wodurch auch immer – zu erzeugen, als wäre es von Hand gemacht. Er lädt mich also ein, ihm eine Illusion abzukaufen. Aber warum soll ich ein Produkt zu mir nehmen, das mir nicht nur die Illusion verkaufen will, ein Lebensmittel zu sein, sondern dieser und wer weiß wie vielen anderen Illusionen nun auch noch eine weitere hinzuzufügen will? Wie täuschend echt sie auch sein mag, sie ist eine Täuschung, und wer weiß, durch welchen (chemischen) Trick sie hervorgerufen wird.

Werbung vermag durchaus die Wahrheit zu sprechen, ich muss sie nur richtig lesen. Zum Beispiel wenn da – auch auf Speiseeis zum Beispiel – steht: »mit Vanille-Geschmack« oder »mit Pistazien-Geschmack«. Im Prinzip ist es ja nett, wenn ein Esswaren-Produzent etwas mit Geschmack herstellt, aber wenn das dann so auf der Packung steht, dann darf ich mit ziemlicher Gewissheit davon ausgehen, dass dieser Geschmack von allem möglichen herrühren kann, nur nicht von dem Produkt, dessen Geschmack es erzeugt.

Denn wäre das tatsächlich da drin, dann stände da draußen zum Beispiel dran: »mit echter Bourbon-Vanille« oder »mit 5% Pistazien«. Ist auf dem Produkt aber vermerkt: »mit Vanille-Geschmack« oder »mit Pistazien-Geschmack«, dann wird mir damit eindeutig gesagt, dass im letzteren Pistazien allenfalls als Spuren-Elemente vorkommen und dass ich im ersteren Vanille gar und ganz vergebens suchen werde.

Ich werde also wohl gar nicht erst auf den Geschmack kommen und die Industrie auf ihrem »wie« sitzen lassen. Würde sie offenbaren, wie sie ihr »wie« erzeugt, würde es ihr wohl eh niemand abkaufen wollen.

(Henning Sabo)

Das Bündel

Ein Wandermönch, der nichts besaß als die Kleidung, die er auf dem Leibe und ein kleines Bündel, das er über seiner Schulter trug, klopfte eines Tages an das große Tor eines prunkvollen Schlosses. Den fein gekleideten Diener, der das Tor einen Spalt breit öffnete und ihn abschätzig musterte, bat er höflich um ein wenig Wasser zu trinken und um eine Kleinigkeit zu essen. Das hörte der König, der gerade die große Treppe in den großen Empfangssaal herunter gekommen war, um in den großen Speisesaal zu gehen und dort allein sein mehrgängiges Abendmenü zu sich zu nehmen. Bevor noch der Diener etwas erwidern konnte, trat der König nun selbst hinzu, öffnete beschwingt das Tor, begrüßte den Mönch auf das Herzlichste und lud ihn ein, mit ihm sein Abendbrot zu teilen. Der Mönch nahm diese Einladung dankend an, und so gab der König dem Diener Weisung, noch ein zweites Gedeck aufzutragen.

Beim Essen konnte der König seine Neugier kaum verbergen, den Mönch über dessen Leben auszufragen. Das aber schien dem Mönch sehr entgegen zu kommen, und bereitwillig und breit erzählte er von seinen ausgedehnten Wanderungen und von seinem besitzlosen und unbehausten Dasein. Und er wurde nicht müde, immer wieder zu betonen, wie glücklich er sei, allem Weltlichen entsagt zu haben und frei wie ein Vogel durch die Welt zu ziehen. Interessiert und fasziniert folgte der König all seinen Ausführungen, wobei er selbst immer stiller und nachdenklicher wurde und die ganze Last und Bedrückung seines eigenen Königseins immer schwerer auf seinen Schultern und auf seinem Herzen spürte.

Nach einem üppigen Dessert wollte der Mönch sich wieder verabschieden, sein Bündel packen und hinaus in das Unbekannte aufbrechen. Der König aber bat ihn inständig, doch noch zu bleiben, eine Nacht in seinem Schloss zu verbringen und ihn am Morgen auf seinem Spaziergang durch seine Ländereien zu begleiten. Der Mönch, vom vielen Essen sehr müde geworden, willigte ein, und so ließ der König seine schönste Gästesuite für ihn herrichten. Der Mönch schlief lange und tief, während der König fast die ganze Nacht über nicht einschlafen konnte und unruhig in seinen Gemächern hin- und herwanderte.

Am Morgen konnte es der König kaum erwarten, beim Frühstück den weiteren Erzählungen des Mönches zu lauschen, der mit wunderbaren Worten und in erhellenden Geschichten vom Glück des Entsagens und von der Freiheit der Besitzlosigkeit zu berichten wusste. Der König, von all dem ehrlich berührt und voller Hochachtung für seinen heiligen Gast, trug diesem schließlich das Du und sein Freundschaft an und freute sich wie ein Kind daran, seinem Freund und Lehrmeister nun sein Reich zeigen zu dürfen.

So wanderten sie zusammen durch die weitläufigen Parks und die großzügig angelegten Gärten, aber je mehr der König nach alter Gewohnheit voll Stolz auf dieses oder jenes zeigte und davon sprach, dass ihm dieses und jenes gehöre, um so unbehaglicher wurde ihm und um so fremder erschien ihm dies alles nun. Doch je weiter sie sich vom Schlosse entfernten, um so leichter und freier fühlte er sich und spürte einen neuen Geist in sich wirken. Schließlich bestiegen sie den kleinen Hügel, von dem herab man das Schloss und die ganzen Ländereien des Königs gut überblicken konnte. Oben angekommen, verschnauften sie ein wenig und genossen die wunderbare Fernsicht, angesichts derer der Mönch ein Gleichnis zum Besten gab, das die Vorzüge des besitzlosen Lebens pries.

»Mein Freund«, begann nun der König, »Du brauchst nichts weiter mehr zu sagen, Du hast mich bereits vollkommen überzeugt. Ich weiß, was jetzt für mich zu tun ist. Ich werde all dem hier entsagen, ich werde all meinen Besitz aufgeben und hinter mir lassen und mit nichts als nur meiner Kleidung, die ich auf dem Leibe und einem kleinen Bündel, das ich auf der Schulter trage, mit dir gehen und hinaus in die Welt ziehen. Und siehe«, endete er und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, »selbst das Schicksal scheint meinen Entschluss nun zu bestätigen: mein Schloss ist gerade dabei, in Flammen aufzugehen.«

Der Mönch, der jetzt hinunter blickte und entdeckte, dass tatsächlich der eine Flügel des Schlosses bereits lichterloh brannte, stieß den König fast um, als er, so schnell er nur konnte, nun dem Schloss entgegen rannte und immer wieder ganz laut »Mein Bündel, mein Bündel!« brüllte.

(Henning Sabo)

Nach einer kurzen Geschichte, die ich irgendwo einmal gelesen und hier etwas weiter ausgeführt habe.