Abweichung

Es ist nicht schlimm, von einer Norm abzuweichen. Jeder Mensch tut das – und darf es auch tun. Denn warum sollte er ihr entsprechen oder gar entsprechen müssen?

Schlimm ist es, von sich selbst abzuweichen. Haben wir doch unser Leben, um eben dieses zu leben, und bin ich doch der, der ich bin, um genau dieser zu sein.

Mir selbst nicht zu entsprechen, das ist ein Verbrechen. Denn damit missachte ich mein Leben, dieses kostbare Gut, und vergeude mein Sein, diese wunderbare Gelegenheit.

Ich wurde nicht als Mensch geboren, um mein Dasein durch Anpassung unkenntlich zu machen oder es durch Verleugnung zu verstümmeln.

Mein Hiersein hat darin seinen Sinn und seine Erfüllung, es durch Entfalten zu entdecken, es durch Bestätigen zu verwirklichen.

Alles andere ist Feigheit vor mir selbst und lässt mich tot sein, bevor ich tot bin.

Es ist nicht schlimm, von einer Norm abzuweichen. Schlimm ist es, mir selbst nicht zu entsprechen.

(Henning Sabo)

Aster Aweke – »Antiye« & »Y’Shebellu«

Der Link zum Sonntag:

Obwohl schon sehr früh vor der Diktatur aus ihrem Heimatland in die USA emigriert, gilt Aster Aweke (zu recht) als eine der größten Sängerinnen Äthiopiens und ist eine der wenigen, die auch international bekannt geworden sind.

Ich möchte hier zwei meiner Lieblingslieder von ihr vorstellen. Das erste (»Antiye«) gehört zu ihren ersten Aufnahmen überhaupt und stammt aus der Mitte der 70er Jahre. Für mich eines der schönsten Beispiele dieses spezifisch äthiopischen Sounds der »Golden Seventies«, in denen in Addis Abeba eine der interessantesten populären Musiken weltweit gespielt wurde. Ein Lied, das ich stundenlang hören könnte und das mich immer wieder fasziniert mit seinem wunderbaren Groove und dieser tollen Mischung aus Orgel, Bläsern und E-Gitarre – und eben diesem ganz spezifischen Gesang.

Das zweite stammt von Aster Awekes erstem Solo-Album »Aster« (1990), nachdem sie Äthiopien verlassen hatte. Musikalisch lange nicht so komplex und eher westlichen Hörgewohnheiten angeglichen, kann sie aber in »Y’Shebellu«, nur vom Piano begleitet, vor allem durch ihren Gesang überzeugen.

Aster Aweke (& Sensation Band) – »Antiye«

Aster Aweke – »Y’Shebellu«

Vom Sitzen in einem Boot

Der Kapitän vertritt nicht die Interessen der Kapitäne.
Der Ingenieur vertritt nicht die Interessen der Ingenieure.

Der Nautiker vertritt nicht die Interessen der Nautiker.
Der Mechaniker vertritt nicht die Interessen der Mechaniker.

Der Arzt vertritt nicht die Interessen der Ärzte.
Der Koch vertritt nicht die Interessen der Köche.

Der Geistliche vertritt nicht die Interessen der Geistlichen.
Der Matrose vertritt nicht die Interessen der Matrosen.

Sie alle haben nur ein Interesse, das des Schiffes, auf dem sie fahren.
Indem sie ihm dienen, dienen sie allen – und jeder dient jedem.
Nur das gewährt ihnen, dass sie auch ankommen werden.
Denn sie alle wissen und werden es nicht vergessen:
Wir sitzen in einem Boot.

(Henning Sabo)