Begegnung und Verfehlung

Sie hatten sich im Garten von ferne gesehen und es schien ihnen beiden, dass ihre Herzen sich in diesem Augenblick einander öffneten. Er war zum Ausgang gegangen, um sie nicht zu verpassen, und würde sie gleich kommen, so würde er all seinen Mut zusammennehmen, um sie anzusprechen. Sie hatte ihn zum Ausgang gehen sehen und geglaubt, er habe bei ihrem Blick wohl doch nicht das gleiche wie sie empfunden, habe sie schon wieder vergessen und sei bereits gegangen. Traurig und enttäuscht, hatte sie sich allein auf eine Bank gesetzt, und so war sie, in Gedanken versunken, viel länger als vorgesehen geblieben. Er, als sie nicht kam, hatte nach und nach allen Mut und alle Hoffnung verloren und geglaubt, sie habe seinen Blick als zu aufdringlich empfunden und wolle ihm nun ganz bewusst nicht begegnen, und so war er, traurig und enttäuscht, schließlich gegangen. Sie war inzwischen aufgestanden und mit einer letzten vagen Hoffnung, er könne vielleicht dort auf sie warten, zum Ausgang gegangen, aber es war nur ihre Vorstellung, die ihn dort stehen sah, er selbst war schon nicht mehr da.

(Henning Sabo)

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