Die Toten

Manchmal kommen die Toten,
Als wären sie am Leben,
Uns noch einmal besuchen.

Das tun sie nur,
Um diesen einen Satz zu sagen,
Den eben sie zu sagen haben.

Und sie verschwinden erst,
Wenn sie gewiss sich sind,
Dass wir ihn auch verstanden haben.

(Henning Sabo)

Kein Reim

Der Mensch ist mit sich ganz allein
Und kehrt doch selten in sich heim.
Macht mit dem Dasein sich perfekt gemein,
Doch findet sich auf Mensch kein Reim.

Er fühlt so groß und sich so klein,
In Gesten hart, zart insgeheim.
Er schließt sich aus und sehnt so sehr sich ein,
Doch findet sich auf Mensch kein Reim.

Er kann so Wunderbares sein
Und ist doch aller Wunde Keim;
Zerstört, das seine schaffend, jedes Sein:
Es findet sich auf Mensch kein Reim.

(Henning Sabo)

Hinein

Ich weiß keine Antwort auf die Frage,
Ob ich es so mir vorgestellt habe.

Nicht Ja, nicht Nein!

Ich finde es vor und gebe mich hinein.
Das ist schon alles, das ist mein ganzes Sein!

Nichts legt sich davor, nichts legt sich dahinter,
Nichts liegt darüber, nichts darunter.

Kein Nicht-Mein und kein Mein!

Ich finde es vor und gebe mich hinein.
Das ist schon alles, das ist mein ganzes Sein!

(Henning Sabo)

Dauerhaft

Heute, auf der Fahrt mit dem Zug,
Rief vor der Toilette eine Mutter voller Ungeduld:
»Wie lange dauert das denn noch?!«

Von drinnen antwortete ihr Kind,
Mit etwas mehr an Geduld
Und weiser wohl auch:
»Es dauert, wie es dauert!«

Solch ein schlichtes und tiefes Erkennen
Würde ich auch allen Erwachsenen wünschen und gönnen,
Die glauben und meinen, im Zug und im Leben
Würde es darum gehen und müsste man darauf bestehen,
Pünktlich zu sein und pünktlich anzukommen
Und mit den Plänen überein zu stimmen.

»Es dauert, wie es dauert!«

(Henning Sabo)

Turgun Alimatov (Usbekistan) – Tanbur

Der Link zum Sonntag:

Heute eine musikalische Reise in ein mir ansonsten gänzlich unbekanntes Land: Usbekistan. Zu hören ist hier (in einer Aufnahme aus dem Jahr 2001) der legendäre Turgun Alimatov (1922-2008), ein Meister auf verschiedenen in diesem Raum gebräuchlichen Saiteninstrumenten.

Turgun Alimatov wurde 1922 in Taschkent geboren und lebte dort sein ganzes Leben lang. Zur Musik kam er aus eigenem Antrieb. Sein Vater, ein talentierten Datar-Spieler, brachte ihm nicht das Spielen darauf bei, erlaubte ihm aber, das Instrument zu nehmen und darauf zu spielen, was er wollte. Daneben hörte er anderen Musikern zu und prägte sich deren Melodien und Rhythmen ein. Er ließ sich inspirieren, indem er ihre Musik endlos wiederholte, ohne sie exakt zu kopieren. Als seine wichtigsten Lehrmeister bezeichnete er sein Hörvermögen, sein gutes Gedächtnis und sein Herz. Alimatov hat nie eine spezielle Musikschule besucht und gehörte zu den Musikern, die das Spielen traditioneller Instrumente ohne direkten Unterricht und formale Musikausbildung erlernten. So hat er einen neuen Stil und eine neue Technik für das Spiel auf der Dutar, dem Sato und der Tanbur gefunden, die in ganz Usbekistan populär wurden. Seine Musik wird in vielen usbekischen Häusern verwendet, um Babys und Kinder in den Schlaf zu wiegen, und auch in Krankenhäusern und Behandlungszentren wird sie eingesetzt. Turgun Alimatov spielte für sich selbst und spielte immer die Lieder, die er vortragen wollte, einfach weil er Spaß am Spielen hatte. Er bereitete sich nicht auf das Leben eines Berufsmusikers vor und verfolgte nie eine Musikkarriere. Musik war für ihn kein Beruf.

Hier spielt er auf der Tanbur einige klassische Melodien.

Turgun Alimatov (Usbekistan) – Tanbur