Homayun Sakhi (Rubab) – live

Der Link zum Sonntag:

Heute öffne ich mein nächstes CD-Schränkchen, und darin befinden sich CDs, die – im weitesten Sinne – der Folklore zuzurechnen sind. Kategorien und Einteilungen sind, ebenso wie Grenzen, stets willkürlich, aber Natur und Leben folgen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und kümmern sich herzlich wenig um solch künstliche und nachträgliche Festlegungen und Unterscheidungen. Für mich ist Folklore Ursprung, Tradition und lebendige Fortentwicklung des menschlichen Bedürfnisses, sich mit und über Musik auszudrücken, so wie sie sich innerhalb eines Volkes, einer Region oder eines Landes entwickelt hat.

Folklore ist somit Grund und Nährboden jeglicher Art von Musik, also auch jener Musik, die wir als kommerziell populäre, als »Pop-Musik« bezeichnen, und ebenso jener Musik, die wir als »Klassische Musik« verstehen, also die im engeren Sinne westliche Klassik wie die klassische Musik der verschiedenen Völker und Kulturen, deren bekannteste und »populärste« wohl die klassische Musik Indiens ist. Wobei »klassisch« hier nicht unbedingt auf eine schon sehr alte musikalische Tradition verweist, oft sind diese klassischen Musiken in ihrer heutigen Ausprägungen erst im 19. Jahrhundert entstanden.

Die Musik, mit der ich hier bekannt machen möchte, ist sehr eng mit der klassischen indischen Musik verwandt und weist – ebenso wie die klassische persische (oder iranische) Musik – sehr viele Wechselbezüge zur Musik Indiens, bzw. Nordindiens auf; das, was wir als (klassische) indische Musik verstehen, ist im wesentlichen ja die Tradition nordindischer Musik. In der Person von Homayun Sakhi möchte ich heute eine kleine Einstimmung in die (klassische) Musik Afghanistans geben, gespielt auf dem afghanischen National-Instrument, der Rubab.

Hier zwei Live-Aufnahmen (leider etwas unglücklich getrennt und abgeschnitten) von einem Konzert in Marseille, die einen wunderbaren Eindruck von der Lebendigkeit und Virtuosität dieser Musik geben – und Sakhi hat hier wirklich eine Sternstunde erwischt und spielt einfach fantastisch (und kongenial unterstützt von Siar Hashimi):

Homayun Sakhi & Siar Hashimi – Live in Marseille 1

Homayun Sakhi & Siar Hashimi – Live in Marseille 2

Afghanistan ist umgeben im Westen vom Iran, im Norden von den ehemaligen Sowjet-Republiken Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan, und im Osten und Süden von Pakistan. Ein Land mit einer großartigen, uns weitestgehend unbekannten Kultur, das leider das Pech hatte, ins Visier und in die (Groß-)Machtpolitik von UDSSR und USA zu geraten, die ihren »kalten Krieg« auch auf diesem Boden in eine »heiße Phase« treten ließen, dem ein anhaltender Bürgerkrieg und weitere Interventionen folgten, die das Land seit bald 40 Jahren nicht mehr in Frieden und zur Ruhe kommen lassen. Eine dieser unendlichen und so unendlichen traurigen menschlichen Tragödien, von denen es immer noch und immer wieder viel zu viele gibt. Und eine der Paradoxien menschlicher Geschichte, dass Menschen dann gerade auch in jenen Ländern Schutz und Zuflucht finden, die einen wesentlichen Anteil daran hatten, dass ihr Heimatland so verheert wurde.

Hier eine halbstündige Sendung der University of Washington über die Musik Afghanistans, die Rubab und mit Konzertauschnitten von Homayun Sakhi: »Sounds of the World: Afghanistan«

Die An-Ordnung der CDs in meinen zwei »Folklore-Schränkchen« habe ich alphabetisch nach Ländern vorgenommen, und so ist Afghanistan das erste Land, das ich hier vorstelle. Nach der früher üblichen Lesart, bei der ein »ä« nicht als »a«, sondern – seiner geschichtlichen Entwicklung folgend – als »ae« gelesen wurde, wäre Äthiopien an erster Stelle gewesen, ein Land, über das ich wahrscheinlich ebenso wenig weiß wie über Afghanistan, dessen Musik mir aber wesentlich geläufiger ist. Allerdings in erster Linie als Pop-Musik aus den 70er Jahren, weswegen diese CDs – tja, die Schwierigkeit der Ein-Ordnung! – nicht im Folklore-, sondern zumeist im letzte Woche geöffneten Kompilationen-Schränkchen zu finden sind. Die Musik Afghanistans ist in meinem Musik-Archiv tatsächlich nur in Form einer einzigen CD präsent, und die stammt eben von Homayun Sakhi. Eine wunderschöne Ausgabe der sehr rührigen »Smithsonian Institution« aus der Reihe »Music of Central Asia« mit umfangreichen Beiheft und einer zusätzlichen DVD: »Homayun Sakhi – The Art of the Afghan Rubâb«. Von dieser CD hier zum Abschluss noch der »Raga Yaman«.

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